Klaus-Groth-Museum und Brahms-Haus in Heide
Zeugen deutscher Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts
Die „Museumsinsel“ der Stadt Heide mit der Straßenlage Lüttenheid 40 hat zwei Eckpfeiler: das Klaus-Groth-Museum (Nr. 48 - Foto rechts) und das Brahms-Haus (Nr. 34 - Foto unten). Diese beiden Gebäude markieren in herausragender Weise ein Stück Kulturgeschichte.
Während der Heider Markt im Laufe der Zeit die Verwaltung und den Handel auf sich konzentrierte, siedelten am Rande „auf der Lüttenheid“ Ackerbürger, Handwerker und kleine Handelsleute. Aus diesem bescheidenen sozialen Umfeld sollten aber gerade die beiden Persönlichkeiten hervorgehen, die Heide mit der deutschen Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts verbinden.
Haus Nr. 48 ist das Geburtshaus des Dichters Klaus Groth, dessen Großvater das langgestreckte, eingeschossige Giebelhaus (mit Korn- und Vorratsboden) 1796 hier erbaut hatte und dessen Vater darin neben ackerbürgerlicher Tierhaltung eine Grützmühle betrieb. Hier wuchs der am 24. April 1819 geborene Klaus Groth als hochbegabtes und sehr bildsames Kind auf, das vom „Obbe“, dem Großvater, all jene Geschichte und Geschichten aus Dithmarschen in niederdeutscher Sprache vernahm, die der Dichter dann 1848–51 zu dem Gedichtband „Quickborn“ verarbeitete.
Mit diesem Buch gelang Klaus Groth sogleich der literarische Durchbruch, weil er die alte niederdeutsche, seit der Hansezeit im Rückgang begriffene Sprache als literarisch und literaturfähig unter Beweis stellte und so (neben Fritz Reuter in Mecklenburg) die neuniederdeutsche Literatur begründete.
Die Aufmerksamkeit im deutschen Sprachraum, insbesondere bei der bürgerlichen Paulskirchenbewegung von 1848/49 und ihren Anhängern, richtete sich nach Erscheinen 1852 nicht nur auf die Sprachkunst, sondern fast mehr noch auf ihre politische Dimension: Dieser Dichter zeigte, das Holstein nachweislich zum deutschen Sprachgebiet gehörte, entscheidendes Argument gegen den dänischen König, der nach dem Scheitern der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1851 die Herzogtümer weit über die frühere gesamtstaatliche Organisation hinaus an die dänische Krone und Sprache zu binden sich anschickte. Klaus Groth war durch eine Ausbildung am Lehrerseminar in Tondern und dann durch ein breites autodidaktisches Studium mit seinem literarischen Debüt im aufstrebenden Bürgertum angekommen, wo er als Dichter mit politischer Stimme, Hochschullehrer in Kiel und unermüdlicher Vermittler der Musikkultur es zu Ansehen und Ruhm brachte. Ihm zu Ehren wurde sein Geburtshaus unter der Federführung der Stadt Heide 1914 als Dichtermuseum eingerichtet.
Das Brahms-Haus, 1987 von der damals neu gegründeten Brahms-Gesellschaft auf Initiative von Justus Frantz aus Privatbesitz erworben und in einen historisch nachempfundenen Zustand zurückversetzt, war nach dem großen Brand von 1796 erbaut und 1819 von der Familie Brahms erworben worden. Während der Vater des Komponisten, Johann Jakob Brahms (1806–1872), sich in Wesselburen zum Musiker ausbilden ließ und dann in Hamburg sein Glück machte – zuletzt am Kontrabass im „Staatsopernorchester“ –, betrieb dessen Bruder Peter Brahms in dem Haus kleine Geschäfte mit unterschiedlichen Erfolgen.
Für den 1833 in Hamburg geborenen Johannes Brahms, der dort im ärmlich-beengten Gängeviertel aufwuchs, war und blieb Lüttenheid, die Heimat seines Vaters, die er mit diesem als Kind besuchte, der Inbegriff von paradiesischer Geborgenheit und Verwurzelung, die er in Klaus Groths „Quickborn“ bis in seelische Tiefen hinein ausformuliert fand und die ihn später während seiner langen Freundschaft mit dem Dichter (ab 1856 bis zu seinem Tode 1897) dazu veranlassten, 13 thematisch ähnlich gelagerte hochdeutsche Gedichte Groths („Hundert Blätter“, 1854) zu vertonen und durch seine Musik in den Olymp der deutschen Kultur zu heben. In den Erinnerungen an Johannes Brahms ist das Geständnis des Komponisten gegenüber seinem Freund nachzulesen, dass dessen Gedichte in niederdeutsch-väterlicher Sprache eine Vertonung durch ihn nicht erlaubt hätten, weil sie ihm zu nahe gegangen wären.
In seinen „Erinnerungen an Johannes Brahms“ schildert der Dichter noch einmal ganz plastisch den gemeinsamen Kindheits-Seelengrund auf Lüttenheid: „Noch erinnere ich mich eines Morgens am Kaffeetisch – Großvater nicht mehr dabei, als der Vater aus der Zeitung uns von dem plötzlich aufgetauchten jungen Musiker Johannes Brahms in Hamburg vorlas. Mein Vater ahnte nicht, welche Gedanken und Empfindungen diese kurze Nachricht in mir aufregte. Er wusste nicht, wie es in mir gärte, wusste nicht, was ich heimlich erstrebte – in einer anderen Kunst (…). Da sagte also mein Vater (…) über die Nachricht von dem plötzlich aufgetauchten Genie: Das muss der Sohn sein von meinem Schulkameraden Johann Brahms, gewiss, das ist er (…).“
So umfassen das Brahms-Haus in der Trägerschaft der Brahms-Gesellschaft Schleswig- Holstein mit einer musealen Dokumentation zu Johannes Brahms und seinem väterlichen Herkunftsort einerseits und andererseits das Groth-Haus, das nach einer grundlegenden Sanierung durch die Stadt Heide zum 100-jährigen Museums-Jubiläum 2014 wiedereröffnet werden soll, die sogenannte Museumsinsel mit dem Heider Heimatmuseum und stellen die lokalen Gegebenheiten in den Zusammenhang der deutschen Kulturgeschichte.
Bernd Rachuth